Botschaft des UN Sustainable Development Solutions Network zum Ukraine-Krieg

Das UN Sustainable Development Solutions Network (SDSN) nennt als seine Aufgabe: „Unsere Mission ist es, Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung aufzuzeigen.“ Das SDSN ist ein weltweites Netzwerk von Universitäten, Wissenschaftlern, Politikern, Wirtschaftsführern und Glaubensführern, das unter der Schirmherrschaft von UN-Generalsekretär António Guterres arbeitet.

Am 14. April 2022 wandten sich Mitglieder des Führungsgremiums und einfache Mitglieder des Netzwerks mit einer Botschaft an alle UN-Mitgliedstaaten und Oberhäupter der Vereinten Nationen. Sie beziehen darin Position bei der Suche nach einem Ausweg aus dem Krieg in der Ukraine.

Hier die deutsche Übersetzung:

UN Sustainable Development Solutions Network (SDSN): Botschaft an alle UN-Mitgliedstaaten und Oberhäupter der Vereinten Nationen (UN) vom 14. April 2022

Der Krieg in der Ukraine bedroht nicht nur die nachhaltige Entwicklung, sondern das Überleben der Menschheit. Wir rufen alle Nationen auf, die gemäß der UN-Charta handeln, die Diplomatie in den Dienst der Menschheit zu stellen, indem sie den Krieg durch Verhandlungen beenden, bevor der Krieg uns alle auslöscht.

Die Welt muss dringend auf den Weg des Friedens zurückkehren. Gesegnet sind die Friedensstifter, lehrt Jesus in den Seligpreisungen. Der Koran lädt die Rechtschaffenen nach Dar as-Salam ein, in die Stätte des Friedens. Buddha lehrt Ahimsa, Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebewesen. Jesaja prophezeit den Tag, an dem die Völker nicht mehr gegeneinander kämpfen und auch nicht mehr für den Krieg trainieren werden.

Internationaler Frieden und Sicherheit sind die wichtigsten Ziele der Vereinten Nationen. Die Nationen der Welt dürfen es auf keinen Fall versäumen, in den bevorstehenden bedeutsamen Stunden Frieden in der Ukraine zu schaffen.

Russlands Invasion in der Ukraine ist nach den Worten von Papst Franziskus abstoßend, grausam und frevelhaft und macht die Suche nach Frieden zu unserer dringendsten Notwendigkeit. Dies gilt insbesondere, weil sich eine noch verheerendere militärische Konfrontation in der Ostukraine abzeichnet. Präsident Wladimir Putin hat die Friedensgespräche kürzlich für gescheitert erklärt. Die Welt kann das nicht akzeptieren. Alle Nationen und die Vereinten Nationen müssen alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Friedensgespräche wiederzubeleben und die Parteien zu einer erfolgreichen und raschen Einigung zu bringen.

Frieden erfordert Dialog und Diplomatie, nicht noch mehr schwere Waffen, die die Ukraine letztendlich in den völligen Ruin stürzen werden. Der Weg der militärischen Eskalation in der Ukraine führt garantiert zu Leid und Verzweiflung. Schlimmer noch, eine militärische Eskalation riskiert einen Konflikt, der sich zum Weltuntergang ausweitet.

Die Geschichte zeigt, dass die Kubakrise fast zu einem Atomkrieg geführt hätte, nachdem die Führer der USA und der Sowjetunion bereits eine diplomatische Lösung gefunden hatten. Aufgrund von Missverständnissen hätte ein außer Gefecht gesetztes sowjetisches U-Boot beinahe einen Torpedo mit Atomspitze abgefeuert, der eine vollständige nukleare Reaktion der Vereinigten Staaten hätte auslösen können. Nur das mutige Eingreifen eines einzigen sowjetischen Offiziers auf dem U-Boot stoppten das Abfeuern des Torpedos und retteten damit die Welt.

Russland und die Ukraine können sicherlich ein Abkommen erreichen, das die beiden grundlegenden Ziele der UN-Charta erfüllt: territoriale Integrität und Sicherheit sowohl für die Ukraine als auch für Russland.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky hat bereits eine diplomatische Lösung ausgemacht: die Neutralität der Ukraine – keine NATO-Mitgliedschaft – und ihre völkerrechtlich gesicherte territoriale Integrität. Russlands Truppen müssen die Ukraine verlassen, aber nicht durch NATO-Truppen oder schwere Waffen ersetzt werden. Wir stellen fest, dass die UN-Charta die Wörter „Frieden“ und „friedlich“ 49 Mal verwendet, aber kein einziges Mal das Wort „Bündnis“ oder den Ausdruck „Militärbündnis“.

Konflikte eskalieren nur allzu leicht, während Verhandlungen Klugheit und Willenskraft erfordern. Die UN-Mitglieder sind in ihrem Verständnis des Konflikts tief gespalten, aber sie sollten durch ihr gemeinsames Interesse an einem sofortigen Waffenstillstand, einem Stopp der Angriffe auf Zivilisten und der Rückkehr zum Frieden vollkommen vereint sein. Der Krieg verursacht schreckliche Todesfälle und furchtbare Zerstörung – Schäden in Höhe von Hunderten von Milliarden Dollar in den ukrainischen Städten, die in nur wenigen Wochen in Schutt und Asche gelegt wurden – und wachsendes wirtschaftliches Chaos weltweit: steigende Lebensmittelpreise und -knappheit, Millionen von Flüchtlingen, den Zusammenbruch globaler Handels- und Lieferketten und zunehmende politische Instabilität auf der ganzen Welt, die die ärmsten Nationen und Haushalte mit verheerenden Belastungen treffen.

Der UN-Sicherheitsrat hat die wichtige Aufgabe, weltweit den Frieden zu bewahren. Manche behaupten, er könne dieser Aufgabe nicht gerecht werden, solange Russland Mitglied des Sicherheitsrats ist. Doch diese Ansicht ist völlig falsch. Der UN-Sicherheitsrat kann gerade deshalb den Frieden sichern, weil Russland, China, die USA, Frankreich und das Vereinigte Königreich ständige Mitglieder sind. Diese fünf ständigen Mitglieder müssen zusammen mit den anderen zehn Mitgliedern des Rates untereinander verhandeln, um eine Lösung zu finden, die die territoriale Integrität der Ukraine bewahrt und gleichzeitig den Sicherheitsbedürfnissen der Ukraine, Russlands und der anderen 191 UN-Mitgliedstaaten gerecht wird.

Wir begrüßen die mutigen und kreativen Bemühungen des türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan, den beiden Parteien zu helfen, eine Einigung zu erzielen, bedauern jedoch das Fehlen direkter Gespräche im UN-Sicherheitsrat. Wir brauchen nicht noch mehr O-Töne, in denen Diplomaten sich gegenseitig beschimpfen. Wir fordern echte Verhandlungen, die sich an der UN-Charta orientieren. Wir sprechen von Frieden durch die Rechtsstaatlichkeit der Vereinten Nationen, nicht durch Macht, Drohungen und spaltende Militärbündnisse.

Wir sollten die Nationen der Welt nicht an die beängstigende Instabilität dieser Tage erinnern müssen. Der Krieg droht stündlich zu eskalieren. Und dies während der anhaltenden COVID-19-Pandemie, die jeden Tag rund 5.000 Todesopfer fordert. Selbst jetzt, im dritten Jahr der Pandemie, hat die Welt es versäumt, Impfstoffdosen für die Armen und Schwachen der Welt bereitzustellen, und das nicht zuletzt aufgrund der geopolitischen Spannungen zwischen den impfstoffproduzierenden Nationen.

Die massive Vertreibung von Flüchtenden und der weltweit zunehmende Hunger aufgrund des Krieges in der Ukraine drohen nun eine noch größere Welle von Krankheiten, Todesfällen und Instabilität sowie größere finanzielle Schwierigkeiten für die armen Nationen auszulösen. Und hinter dem Krieg und der Pandemie lauert das sich langsam bewegende Ungeheuer des vom Menschen verursachten Klimawandels, eine weitere Katastrophe, die die Menschheit bedroht. Der jüngste IPCC-Bericht erinnert uns daran, dass wir den Spielraum, innerhalb dessen der Klimawandel noch kontrollierbar bleibt, ausgeschöpft haben. Wir brauchen sofortige Klimaschutzmaßnahmen. Doch der Krieg entzieht uns die Aufmerksamkeit, die multilaterale Zusammenarbeit und die Finanzmittel, die erforderlich sind, um uns aus unserer menschengemachten Klimakatastrophe zu retten.

Als Pädagogen und Universitätsleiter sind wir uns auch unserer besonderen Verantwortung für unsere Studenten bewusst. Wir müssen nicht nur wissenschaftliches und technisches Know-how vermitteln, um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, so wichtig diese Themen heute sind, sondern auch die Wege zu Frieden, Problemlösung und Konfliktlösung. Wir müssen junge Menschen so erziehen, dass die Jugend von heute die Weisheit erlangt, globale Vielfalt zu respektieren und Streitigkeiten friedlich durch rücksichtsvolle Verhandlungen und Kompromisse beizulegen.

Im Geiste der UN-Charta und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte rufen wir alle Nationen der UN-Generalversammlung auf, einstimmig und ausnahmslos eine Resolution anzunehmen, in der ein baldiger Verhandlungsfrieden gefordert wird, der den Bedürfnissen und der Sicherheit der Ukraine, Russlands und alle anderen Nationen gerecht wird.

Wir fordern den UN-Sicherheitsrat auf, so lange wie nötig zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenzutreten, um sicherzustellen, dass das volle Gewicht der UN-Charta zur Anwendung kommt, um den Krieg in der Ukraine mit diplomatischen Mitteln zu beenden.

Wir rufen die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen auf, diplomatisch statt hasserfüllt zu verhandeln und anzuerkennen, dass wahrer Frieden den Sicherheitsbedürfnissen aller Länder gerecht werden muss. Es gibt weder eine Notwendigkeit noch Raum für ein Veto; eine gerechte Vereinbarung wird von allen Nationen unterstützt werden und kann durch UN-Friedenstruppen abgesichert werden.

Die Ukraine hat ihre Bereitschaft signalisiert, Russland zu angemessenen Bedingungen zu begegnen, was sehr anerkennenswert ist; Russland muss jetzt dasselbe tun. Und die Welt muss diesen beiden Nationen helfen, diese schwierige Aufgabe zu bewältigen.

Schließlich rufen wir alle Regierungen und Politiker auf, die Bedeutung der Diplomatie zu betonen und scharfe verbale Angriffe, Aufrufe zur Eskalation oder gar die offene Erwägung eines globalen Krieges zu unterlassen. Ein globaler Krieg muss in der heutigen Zeit undenkbar bleiben, da er nichts anderes wäre als ein Selbstmordpakt der Menschheit oder ein mörderischer Pakt von Politikern.

Frieden bedeutet nicht Beschwichtigung (Appeasement), und Friedensstifter sind keine Feiglinge. Friedensstifter sind die mutigsten Beschützer der Menschheit.

Jeffrey Sachs, Präsident des UN-Netzwerks für Lösungen für nachhaltige Entwicklung (SDSN); Universitätsprofessor, Columbia University

Anthony Annett, Gabelli Fellow, Fordham University

Tamer Atabarut, Direktor, Zentrum für lebenslanges Lernen der Universität Bogazici (BULLC); Vorstandsmitglied, Sustainability Academy (SA); Hohes Ratsmitglied und Leservertreter, Presserat der Türkei; Mitglied des Lenkungsausschusses und ehemaliger Präsident, Council of Turkish Universities Continuing Education Centers (TUSEM)

Botschafter Richard L. Bernal, Professor für Praxis, SALISES, University of the West Indies

Irina Bokova, ehemalige Generaldirektorin der UNESCO

Helen Bond, außerordentliche Universitätsprofessorin für Curriculum und Unterricht, School of Education, Howard University; Co-Vorsitzende von SDSN USA

Jeffrey Cheah, Kanzler, Sunway University | Vorsitzender, SDSN Malaysia

Jacqueline Corbelli, Gründerin und CEO, US Coalition on Sustainability

Mouhamadou Diakhaté, Professor, Universität Gaston Berger

Hendrik du Toit, Gründer und CEO von Ninety One

Jennifer Stengaard Gross, Mitbegründerin der Blue Chip Foundation

Pavel Kabat, Generalsekretär, Human Frontier Science Program; Ehemaliger Chefwissenschaftler, WMO-UN; Ehemaliger Generaldirektor, IIASA

Brighton Kaoma, Global Director, UN Sustainable Development Solutions Network – Youth

Phoebe Koundouri, Professorin, School of Economics, Athens University of Economics & Business; Präsident, European Association of Environmental and Natural Resource Economists (EAERE)

Zlatko Lagumdzija, Professor, ehemaliger Ministerpräsident von Bosnien und Herzegowina; Co-Vorsitzender des Westbalkan SDSN

Upmanu Lall, Direktor, Columbia Water Center; Senior Research Scientist, International Research Institute for Climate & Society; Alan & Carol Silberstein Professor für Ingenieurwissenschaften, Columbia University

Felipe Larrain Bascuñan, Wirtschaftsprofessor, Pontificia Universidad Católica de Chile

Klaus M. Leisinger, Präsident, Stiftung Global Values Alliance; Ehemaliger Sonderberater des UN-Generalsekretärs für den UN Global Compact

Justin Yifu Lin, Dekan, Institute of New Structural Economics & Institute for South-South Cooperation and Development, National School of Development, Peking University

Gordon G. Liu, BOYA Distinguished Professor of Economics an der National School of Development der Universität Peking und Dekan des PKU-Instituts für globale Gesundheit und Entwicklung

Siamak Loni, Direktor, Globales Schulprogramm, UN Sustainable Development Solutions Network (SDSN)

Gordon McCord, außerordentlicher Lehrprofessor und stellvertretender Dekan, School of Global Policy and Strategy, The University of California, San Diego

Miguel Ángel Moratinos, ehemaliger Außenminister von Spanien

Joanna Newman, Senior Research Fellow, King’s College London

Amadou Ibra Niang, CEO, Afrik Innovations

Ngozi Ifeoma Odiaka, Professor, Abteilung für Pflanzenbau, College of Agronomy, Federal University of Agriculture Makurdi, Bundesstaat Benue, Nigeria (jetzt Joseph Sarwuan Tarka University)

Roza Otunbayeva, ehemalige Präsidentin von Kirgisistan, Leiterin der Stiftung „Initiativen von Roza Otunbayeva“

Antoni Plasència, Generaldirektor, Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal)

Labode Popoola, Professor für Forstökonomie und nachhaltige Entwicklung, Abteilung für soziale und ökologische Forstwirtschaft, Fakultät für erneuerbare natürliche Ressourcen, Universität Ibadan

Stefano Quintarelli, Internetunternehmer

Sabina Ratti, Italienische Allianz für nachhaltige Entwicklung, Laudato Si Action Platform und Vorstandsmitglied von Fuori Quota

Irwin Redlener, Senior Research Scholar, Columbia University; Klinischer Professor für Pädiatrie, Albert Einstein College of Medicine

Angelo Riccaboni, Professor, School of Economics and Management, Universität Siena; Vorsitzender, PRIMA-Stiftung

Katherine Richardson, Professorin und Leiterin des Sustainability Science Centre, Universität Kopenhagen

SE Mons. Marcelo Sánchez, Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften

Seine Hoheit, Khalifa Muhammad Sanusi II , UN SDG Advocate und 14. Emir von Kano

Marco F. Simoes Coelho, Professor und Forscher, COPPEAD Center for International Business Studies, Rio de Janeiro

David Smith, Koordinator, Institut für nachhaltige Entwicklung, The University of the West Indies

Nicolaos Theodossiou, außerordentlicher Professor, Fakultät für Bauingenieurwesen, Fakultät für Technologie, Aristoteles-Universität Thessaloniki

John Thwaites, Vorsitzender, Monash Institute für nachhaltige Entwicklung

Rocky S. Tuan, Vizekanzler und Präsident, The Chinese University of Hong Kong

Albert van Jaarsveld, Generaldirektor, Internationales Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA)

Patrick Paul Walsh, ordentlicher Professor für internationale Entwicklungsstudien, University College Dublin

Hirokazu Yoshikawa, Courtney Sale Ross Professor für Globalisierung und Bildung und Universitätsprofessor, New York University

Soogil Young, Ehrenvorsitzender, SDSN Südkorea

Weitere Unterzeichner siehe Originaltext

Deutsche Übersetzung entnommen der Webseite des UN Sustainable Development Solutions Network und überarbeitet von Jochen Diefenthaler

Englischer Originaltext auf der Webseite des UN Sustainable Development Solutions Network (mit der Möglichkeit, eine andere Sprache zu wählen)

Englischer Originaltext als PDF in ansprechendem Layout (187 KB)

Möglichkeit, den Aufruf zu unterzeichnen (Webseite)